Werden rechtswidrig erlangte Informationen zum Zwecke der Berichterstattung verwertet, kommt es maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das zugehörige Mittel an

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der Vertraulich-keitssphäre und des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung schützt das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt.
b) Die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen ist vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst.
c) Werden rechtswidrig erlangte Informationen zum Zwecke der Berichterstat-tung verwertet, kommt es bei der Abwägung des von der Presse verfolgten Informationsinteresses der Öffentlichkeit und ihres Rechts auf Meinungsfrei-heit mit dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird.

BGH URTEIL VI ZR 490/12 vom 30. September 2014

BGB § 823 Ah; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; MRK Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der Vertraulich-keitssphäre und des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung schützt das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt priva-ter E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt.
b) Die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen ist vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst.
c) Werden rechtswidrig erlangte Informationen zum Zwecke der Berichterstat-tung verwertet, kommt es bei der Abwägung des von der Presse verfolgten Informationsinteresses der Öffentlichkeit und ihres Rechts auf Meinungsfrei-heit mit dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird.

BGH, Urteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12 – KG Berlin

LG Berlin

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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen Diederichsen und von Pentz sowie den Richter Offenloch
für Recht erkannt:

Auf die Revisionen der Beklagten zu 1 und 3 wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. November 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Be-klagten zu 1 und 3 erkannt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 28. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 wird das vorbe-zeichnete Urteil des Landgerichts Berlin abgeändert, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 wird insgesamt abge-wiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der der Beklagten zu 2 in der Revisionsinstanz durch die Einlegung ih-rer Nichtzulassungsbeschwerde entstandenen außergerichtlichen Mehrkosten1. Diese trägt sie selbst.
Von Rechts wegen
1 Der Berichtigungsbeschluss vom 30. September 2014 ist bereits eingearbeitet.
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Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 3, soweit im Revisionsverfah-ren noch von Interesse, auf Unterlassung angeblich persönlichkeitsrechtsverlet-zender Veröffentlichungen und auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch. Die Beklagte zu 1 ist die Verlegerin der BILD-Zeitung. Die frühere Beklagte zu 2 betreibt das Internet Portal www.bild.de. Die Beklagte zu 3 ist Verlegerin der “B.Z.”.
Der Kläger war von 1994 bis 1999 Staatssekretär im Umweltministerium eines deutschen Bundeslandes. 1999 wurde er Chef der Staatskanzlei. Von Oktober 2004 bis November 2009 war er Finanzminister. Im November 2009 wurde er zum Innenminister ernannt. Zugleich war er Mitglied des Landtags. Mitte der 90er Jahre unterhielt er zu einer Mitarbeiterin, Frau G., eine außerehe-liche Beziehung, aus der im Jahre 1997 die gemeinsame Tochter E. hervorging. Bis auf geringfügige Zahlungen leistete der Kläger für diese keinen Unterhalt. Auf Antrag von Frau G. erhielt E. bis Oktober 2003 Leistungen nach dem Un-terhaltsvorschussgesetz. Den Vater des Kindes benannte Frau G. der zuständi-gen Behörde nicht. Im Jahre 2009 kam der private Laptop des Klägers abhan-den. Die darauf befindliche E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und Frau G. wurde der Beklagten zu 1 zugespielt. Am 31. August 2010 führten drei Redak-teure der Beklagten zu 1 ein Interview mit dem Kläger. Sie hielten ihm vor, dass sich aus an ihn gerichteten E-Mails der Frau G. ergebe, dass er der Vater von E. sei und für sie keinen regelmäßigen Unterhalt gezahlt habe. Es bestehe der Verdacht des Sozialbetrugs. Außerdem teilten sie dem Kläger mit, dass sie mit der Veröffentlichung einer Berichterstattung über diesen Sachverhalt zwei Tage warten würden; in der Zwischenzeit könne der Kläger seine Verhältnisse ord-nen. Der Kläger erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten zu 1 untersagt wurde, vier E-Mails wörtlich oder sinngemäß publizis-
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tisch zu nutzen, und die Fragen, ob der Kläger private oder intime Kontakte mit Frau G. hatte und ob er sich an einem Sozialleistungsbetrug beteiligt hatte, öf-fentlich zu erörtern. Am 20. September 2010 veröffentlichte die Beklagte zu 2 unter voller Namensnennung des Klägers auf ihrem Internetauftritt “bild.de” un-ter der Überschrift “Innenminister unter Druck/Sozialbetrug? Minister S. wehrt sich gegen Vorwürfe” einen Beitrag, der sich mit der Beziehung des Klägers mit Frau G., der Geburt der Tochter sowie der möglichen Erschleichung von Sozial-leistungen befasst. In der Zeit zwischen dem 21. und dem 25. September 2010 erschienen in den Printmedien der Beklagten zu 1 und 3 sowie in dem Internet-portal der Beklagten zu 2 ähnliche Berichte über den Vorgang. Am 23. Septem-ber 2010 trat der Kläger von seinem Ministeramt zurück. Er gab in einem Zei-tungsinterview bekannt, dass er der Vater von E. sei und die Unterhaltszahlun-gen für sie nachgeholt habe.
Der Kläger hält die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Be-richterstattung für rechtswidrig. Er macht geltend, dass die E-Mails von seinem Laptop stammten, der ihm gestohlen worden sei. Das Landgericht hat die Be-klagte zu 1 verurteilt, es zu unterlassen, den Inhalt folgender E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten oder verbreiten zu lassen (Klageantrag zu 13):
– E-Mail vom 28. Oktober 1997 des Klägers an Frau G.: “Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung”.
– E-Mail vom 29. November 2002 von Frau G. an den Kläger: “Ich habe totalen Horror was werden soll, ab dem nächsten Jahr, da geht das zu Ende mit dem Betrug mit dem Vorschuss (nicht die Strafrelevanz dessen für mich). Einerseits bin ich froh, andererseits hab ich dann gar nichts mehr, mit dem ich mich mit meinem Gewissen vor E. raus-reden kann. Diese Bettelhaltung ist jedenfalls auch ein zusätzlicher
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absolut unhaltbarer Zustand (die 100 €, ab Oktober nächstes Jahr 150 €, sind Peanuts für Dich, ich brauche das inzwischen wirklich, symbolisch und auch materiell)”.
– E-Mail vom 25. Juni 2008 von Frau G. an den Kläger: “War gerade bei der Bank, sieht ganz und gar nicht gut aus und ich brauch jetzt zumindest eine Teilsumme, die du mir schuldest. Offen war der Stand Ende 2005, du wolltest mal meine Mails checken, ansonsten legen wir mal was fest gelegentlich. 2006 ist komplett offen, 2007 hast du mir 800 gegeben, 2008 auch offen. Ich glaub nicht, dass ich zu viel verlange, so eher im Gegenteil. Wie wollen wir das zukünftig han-deln? Will nicht mehr betteln müssen”.
– E-Mail vom 21. April 2004 von Frau G. an den Kläger: “Hallo R., bitte teile mir mit, wann ich den besprochenen Unterhaltbeitrag für E. be-komme. Mit Stand April sind es im Moment 1.850 €, die du schuldest, du Finanzminister”.
Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 weiter zur Freistellung des Klä-gers von einer Forderung seines Rechtsanwalts in Höhe von 1.376,83 € verur-teilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 4 in der Hauptsache erledigt ist. Mit dem am 9. September 2010 eingereichten Kla-geantrag zu 4 hatte der Kläger beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, die Frage der Vaterschaft des Klägers hinsichtlich des Kindes E., die Frage privater oder intimer Kontakte des Klägers zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen hat und/oder “Sozialleistungsbetrug” begangen hat, sowie die Frage von Unterhaltsleistun-gen für das Kind E. im Zusammenhang mit dem Kläger öffentlich zu erörtern.
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Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 verurteilt, es zu unterlassen, wört-lich oder sinngemäß über den Kläger zu äußern oder zu verbreiten (Klagean-trag zu 12):
aa. “Du hast wieder den Geburtstag vergessen … Du schuldest uns 1.150 Euro … Es ist ein Bruchteil dessen, was ihr zustehen würde von Dir, bitte verweigere ihr das nicht und bring mich nicht weiterhin in die Situation, betteln zu müssen, bitte”. (22. Oktober 2003) “Bitte tue mir das nicht weiterhin an, lass mich nicht soo unglaublich hängen”. (24. November 2003);
bb. “Ich habe das ganze Jahr 2003 über keinen Pfennig von dir gese-hen, Du weißt, dass ich seit geraumer Zeit keinerlei staatlichen Unterhalt mehr für sie bekomme”. (25. November 2003);
cc. Der Kläger soll darauf geantwortet haben: “Ich bring auch ein paar Euro vorbei” (2. Dezember 2003);
dd. “Da ist das Geld von dir fest eingeplant und entspricht dem was ihr von einem an unterster Einkommensstufe befindlichen bzw. arbeitslosen Mann an Mindestunterhalt zustände”. (16. Dezember 2003);
ee. “Ist jetzt ziemlich genau 8 Jahre her, als Du aus meiner Wohnung gegangen, bist … Im Juni wären es 2.700 Euro, im Juli 2.900 Euro, steck es einfach in den Briefkasten …” (19. Mai 2005),
wie in der “B.Z.” vom 23.09.2010 “Wollte also nur mal an Deinen Schul-denstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro” geschehen;
ff. “Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Fi-nanzminister: 2.100 Euro” (6. März 2005); wie in der “B.Z.” vom 23.09.2010 “Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro” und/oder wie in “http://www.bz-
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berlin.de/archiv/um-15-01-uhr-zog-s.-sich-aus-seiner-affaere-article986907.html” geschehen.
Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 außerdem zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.999,32 € verurteilt. Im Übrigen hat es die – unter anderem auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 150.000 € – gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufun-gen der Beklagten zu 1 und 3 blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klä-gers hat das Kammergericht die Beklagte zu 1 zur Freistellung von Rechtsan-waltsgebühren in Höhe von 1.633,87 € und die Beklagte zu 3 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.419,19 € verurteilt. Die weiterge-hende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit den vom Senat zuge-lassenen Revisionen verfolgen die Beklagten zu 1 und 3 ihre Anträge auf voll-ständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich der Klageantrag zu 4 durch den Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers am 23. September 2010 erledigt habe. Der Unterlassungsantrag sei ursprünglich begründet gewe-sen und erst durch den nach Rechtshängigkeit erfolgten Rücktritt des Klägers von seinem Ministeramt unbegründet geworden. Erst der Rücktritt habe ein die Belange des Klägers überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Bis zum Rücktritt komme dagegen dem Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit der Vorrang gegenüber dem Interesse der Beklag-ten zu 1 an einer Information der Öffentlichkeit zu. Die Berichterstattung stütze
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sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails. Die in den E-Mails erörterten Angelegenheiten beträfen die Privatsphä-re des Klägers. Thematisch gehe es um seine Vaterschaft zu dem Kind E., um Unterhaltsforderungen und darauf erfolgte Zahlungen. Dies sei ein Bereich, zu dem andere nur Zugang hätten, soweit er ihnen gestattet würde. Verstärkt wer-de der Schutz der Privatsphäre durch den Umstand, dass die E-Mails erkenn-bar hätten geheim bleiben sollen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewe-sen seien. Zu berücksichtigen sei weiter die rechtswidrige Informationsbeschaf-fung. Die E-Mails seien auf der Festplatte des im Oktober 2009 gestohlenen Laptops des Klägers gespeichert gewesen. Die vom Kläger gestellte Strafan-zeige spreche dafür, dass der Laptop tatsächlich gestohlen worden sei. Aber auch wenn der Kläger das Gerät verloren habe, ändere sich an der Beurteilung nichts. Denn dann hätten Dritte den Datenträger unterschlagen. Auch wenn der Zugriff auf die Daten über ein “gehacktes” Passwort erfolgt sei, liege ein Verge-hen des Ausspähens von Daten vor. Es seien zwar keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin an diesen Straftaten beteiligt gewesen seien oder im Zusammenhang mit der Beschaffung der Daten eine rechtswidrige Handlung begangen hätten. Die Redakteure der Beklagten zu 1 hätten aber aufgrund der Umstände erkannt, dass der Zugriff auf die Mails durch eine Straftat erfolgt sein müsse. Zwar falle auch die Verbreitung rechts-widrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Die widerrechtliche Beschaffung einer Information indiziere aber einen nicht uner-heblichen Eingriff in den Bereich eines anderen, besonders dann, wenn dieser Bereich wegen seiner Vertraulichkeit geschützt sei. In einer solchen Situation habe die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme kom-me nur dann in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrich-tung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiege, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tat-
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sächliche Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehe. Dies sei in der Regel dann nicht der Fall, wenn die widerrechtlich beschaffte Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbare, die ihrerseits nicht rechtswidrig seien.
Nach diesen Grundsätzen liege ein überwiegendes Publikationsinteresse nicht vor. Allerdings ergebe sich aus den E-Mails, dass Frau G. den Kläger für den Vater ihrer Tochter gehalten und Unterhaltszahlungen gefordert habe. Er-sichtlich sei auch, dass Frau G. angenommen habe, durch die Inanspruchnah-me von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz einen Betrug zu be-gehen. Auch habe der Kläger spätestens im November 2002 angenommen, Vater des Kindes zu sein. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts stehe aber weder fest, dass der Kläger eine Straftat begangen habe, noch liege ein Min-destbestand an Beweistatsachen vor, der Voraussetzung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung sei. Die Beweistatsachen sprächen nur dafür, dass Frau G. einen Betrug begangen habe. Denn sie habe trotz ihrer sich aus dem Unterhaltsvorschussgesetz ergebenden Verpflichtung den Kläger nicht als Va-ter benannt. Hinreichende Beweistatsachen, die auf eine Täterschaft oder Teil-nahme des Klägers schließen ließen, lägen hingegen nicht vor. Auch wenn an dem Vorgang ein öffentliches Informationsinteresse bestehe, weil der Kläger jedenfalls ab November 2002 die Begehung eines Betrugs zum Nachteil der öffentlichen Hand geduldet habe, gebühre dem Schutzinteresse des Klägers der Vorrang. Er habe lediglich einen Rechtsverstoß geduldet, selbst aber keine Rechtsvorschriften verletzt. In besonderem Maße zu berücksichtigen sei auch, dass die E-Mails durch eine Straftat beschafft worden seien und der Eingriff wegen des erkennbaren Geheimhaltungsinteresses an der privaten Korrespon-denz besonders intensiv sei.
Mit dem Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers sei die Be-richterstattung jedoch zulässig geworden. Denn bei dem Rücktritt handle es
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sich um ein Ereignis, an dem ein hohes öffentliches Informationsinteresse be-stehe. Das Informationsinteresse erstrecke sich dabei auch auf die Frage, wel-che Gründe zu dem Rücktritt geführt hätten und welche Vorwürfe gegen den Kläger erhoben worden seien. Ohne die Mitteilung der aus den E-Mails zu ent-nehmenden Informationen bliebe eine Berichterstattung über die Gründe des Rücktritts unvollständig und nicht verständlich.
Die Beklagte zu 1 wende sich auch ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung, die Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. ge-wechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 13 zu unterlassen. Die sprachliche Fassung eines bestimmten Gedankeninhalts sei Ausdruck der Persönlichkeit des Verfassers. Soweit die E-Mails von Frau G. verfasst worden seien, ließen sie Rückschlüsse auf die persönliche Beziehung zum Kläger zu, weshalb auch sein Persönlichkeitsrecht betroffen sei. Den E-Mails sei ein rechtswidriges Ver-halten des Klägers nicht zu entnehmen. Dies deute darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handle, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Aus diesen Gründen wende sich auch die Beklagte zu 3 ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Unterlas-sung der Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 12. Aufgrund der erlittenen Per-sönlichkeitsrechtsverletzung stehe dem Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 3 weiterhin ein Anspruch auf Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
B.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Klageantrag zu 4 hat sich nicht in der Hauptsache erledigt; der den
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Gegenstand dieses Antrags bildende vorbeugende Unterlassungsantrag war zu keinem Zeitpunkt begründet. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Unter-lassung der mit den Anträgen zu 12 und 13 angegriffenen Äußerungen gegen die Beklagten zu 1 und 3 zu. Aus diesem Grund kann er nicht die Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte verlangen.
I. Revision der Beklagten zu 1
1. Ursprünglicher Klageantrag zu 4
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die auf Feststellung der Erledigung des Klageantrags zu 4 gerichtete Klage unbegründet. Die Fest-stellung der Erledigung der Hauptsache setzt voraus, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1982 – V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 13; vom 8. März 1990 – I ZR 116/88, NJW 1990, 3147, 3148). An diesen Voraussetzungen fehlt es vorlie-gend. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass dem Kläger zu keinem Zeit-punkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 zustand, es zu unterlassen, die Frage seiner Vaterschaft hinsichtlich E., die Frage privater oder intimer Kontak-te zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch ge-nommen und/oder “Sozialleistungsbetrug” begangen hat, oder die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit ihm öffentlich zu erörtern.
a) Allerdings greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwi-schen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails stützt und die vorbe-zeichneten Fragen thematisiert, in den Schutzbereich des allgemeinen Persön-lichkeitsrechts des Klägers ein.
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aa) Betroffen sind zum einen die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bekanntgabe des Umstands, dass der Kläger für seine nicht-eheliche Tochter nur geringfügige Zahlungen erbracht hat, ist geeignet, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken.
bb) Betroffen sind zum anderen die Vertraulichkeitssphäre und das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen auch das Inte-resse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. zur Vertraulichkeits- bzw. Geheim-sphäre: Senatsurteile vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 121, 124 f.; vom 10. März 1987 – VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 509 f.; BVerfGE 54, 148, 153 f. mwN – Eppler-Zitat; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: BVerfGE 115, 166, 83 f., 187 ff.; EGMR, EuGRZ 2007, 415 Rn. 41, 43 f.). So umfasst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entschei-den, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 – VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6; vom 5. November 2013 – VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 = AfP 2014, 58; BVerfGE 84, 192, 194; BVerfG, VersR 2006, 1669 Rn. 31 f.; BVerfG, VersR 2013, 1425, 1427, jeweils mwN). Vielmehr erstreckt sich der Schutzbereich dieses Rechts auch auf Telekommunikationsverbin-dungsdaten einschließlich der jeweiligen Kommunikationsinhalte, soweit sie nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeichert werden. Insoweit ergänzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 115, 166, 183 f., 187 ff.). Damit wird der besonderen Schutzwürdigkeit der Telekommunikationsumstände Rechnung getragen und die Vertraulichkeit räumlich distanzierter Kommunikation auch
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nach Beendigung des Übertragungsvorgangs gewahrt. Vom Schutz umfasst ist dabei zum einen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt der Kommunikation nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Geschützt wird aber auch sein Interesse daran, dass die Kommunikationsinhalte nicht in ver-körperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch die persönliche Ausdrucksweise des Kom-munikationsteilnehmers nach außen dringt (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 121 ff.). Denn jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts lässt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zu (BGH, Urteil vom 25. Mai 1954 – I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 338).
Weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch die Ver-traulichkeitssphäre gewähren aber einen absoluten Schutz; sie finden ihre Grenze vielmehr in den Rechten Dritter – beispielsweise auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 – VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6 mwN; vom 10. März 1987 – VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124).
cc) Die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers ist dagegen nicht be-troffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Die bloße Bekanntgabe der wahren Tatsache, dass der Kläger eine intime Beziehung mit Frau G. hatte, aus der ein Kind hervorgegangen ist, tangiert den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung nicht. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des auf eine Erstbegehungsge-fahr gestützten vorbeugenden Klageantrags zu 4 zu befürchten gewesen wäre, dass diesbezügliche Einzelheiten preisgegeben werden (vgl. Senatsurteile vom
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17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 66 = AfP 2014, 135; vom 29. Juni 1999 – VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; vom 5. Mai 1964 – VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dies ist weder ersichtlich noch dargetan.
b) Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.
aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmen-rechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonven-tion interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persön-lichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffe-nen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurtei-le vom 29. April 2014 – VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
bb) Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Be-klagten zu 1 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Dabei ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die Informationen, deren Veröffentlichung er mit dem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Zwar wird auch die Ver-
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öffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als “Wachhund der Öffentlichkeit” beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 10. März 1987 – VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124 ff.; BVerfGE 66, 116, 137 f.). Um der be-sonderen Schutzwürdigkeit der im Endgerät des Betroffenen gespeicherten Kommunikationsdaten und des insoweit bestehenden Ergänzungsverhältnisses von Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung zu tragen, kommt es in diesen Fällen bei der Abwägung maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird. Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127 ff.; BVerfGE 66, 116, 138 f.).
Bei der Bewertung des Mittels, mit dem der Äußerungszweck verfolgt wird, ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information verschiedene Stufungen geben kann, einerseits etwa den vorsätz-lichen Rechtsbruch, um die auf diese Weise verschaffte Information zu publizie-ren oder gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße Kennt-niserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information, bei der die Rechtswidrigkeit der Beschaffung möglicherweise auch bei Wahrung der publi-zistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar ist. In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Ab-
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sicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffent-lichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrich-tung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein über-ragendes öffentliches Interesse besteht (BVerfGE 66, 116, 139).
cc) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit gegenüber dem Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungs- und Medienfreiheit zurückzutreten.
(1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist keine Fallgestal-tung gegeben, in der bereits im Hinblick auf die Art der Erlangung der Informati-on von der grundsätzlichen Unzulässigkeit ihrer publizistischen Verwertung auszugehen wäre. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklag-ten zu 1 und 3 die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphä-re des Klägers nicht beteiligt, auch wenn ihnen die Rechtswidrigkeit der Infor-mationsbeschaffung nicht verborgen geblieben ist. Es begründet aber einen nicht unerheblichen Unterschied im Unrechtsgehalt, ob der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich in der Absicht verschafft, sie gegen den Ge-täuschten zu verwerten, oder ob er, wie im Streitfall, aus dem erkannten Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen zieht. Dies gilt auch in Ansehung des Um-stands, dass die grundsätzliche Bereitschaft der Presse, rechtswidrig erlangte
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Informationen zu verwerten, Dritte zu Einbrüchen in die Vertraulichkeitssphäre ermuntern kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127).
(2) Abgesehen davon haben die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte und deren Wahrheit er nicht in Frage stellt, einen hohen “Öffentlichkeitswert”. Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Die der Beklagten zu 1 zuge-spielte E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Frau G. belegt, dass sich der Kläger, der von 1994 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2010 herausge-hobene öffentliche Ämter bekleidete, über viele Jahre der wirtschaftlichen Ver-antwortung für seine Tochter E. entzogen hat. Er hat seine ehemalige Geliebte dadurch in die Situation gebracht, für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch zu nehmen, und es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass sie Leistungen bezog, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.
Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kin-dern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -aus-fallleistungen (nachfolgend: Unterhaltsvorschussgesetz) besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz u.a. dann nicht, wenn sich der El-ternteil, bei dem das Kind lebt, weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Va-terschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Zur Mitwir-kung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils gehören grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters. Denn sie sind erforderlich, damit das Land Unterhaltsansprüche gegen den Vater nach § 7 UhVorschG auf sich überleiten und auf diesem Wege
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die Erstattung der vorgeleisteten Gelder von ihm verlangen kann (vgl. BVerwGE 89, 192, 195; BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 11). Die Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz soll “ausbleibende Zahlungen” der Unterhalts-verpflichteten aus öffentlichen Mitteln übernehmen, um sie sodann von Amts wegen beim säumigen zahlungsverpflichteten Elternteil wieder einzuziehen. Die Gewährung von Unterhalt als Ausfallleistung für den Fall, dass ein Rückgriff auf den anderen Elternteil nicht möglich oder erfolgreich ist, soll die Ausnahme bleiben. Dies ergibt sich auch aus dem in § 7 UhVorschG normierten gesetzli-chen Forderungsübergang, der den Nachrang der Unterhaltsleistung dadurch sichern soll, dass Unterhaltsansprüche des berechtigten Kindes “für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz gezahlt wird”, auf das Land übergehen (BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 22).
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat Frau G. ihren danach bestehenden Mitwirkungspflichten nicht genügt. Sie hat der für die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zuständigen Behörde den Kläger nicht als Vater von E. benannt, obwohl sie dessen Vaterschaft für gegeben hielt. Ihr war auch bekannt, dass deshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvor-schussgesetz nicht vorlagen. Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ergibt sich aus der an den Kläger gerichteten E-Mail der Frau G. vom 29. No-vember 2002, dass sie ihre unvollständigen Angaben gegenüber der Behörde als Betrug wertete, deren Strafrelevanz nach Ablauf der maximalen Bezugs-dauer von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz – anders als die Leistungen – nicht “zuende” gehe.
Die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugen-den Unterlassungsantrag verhindern wollte, offenbaren damit, dass der Kläger aus Eigeninteresse die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches
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Kind auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Ein derartiges Verhalten ist für die Beurteilung der persönlichen Eignung des Klägers als Finanz- und Innenminis-ter und Landtagsabgeordneter von maßgeblicher Bedeutung. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transpa-renz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Sein Verhal-ten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht seiner Privatsphä-re zuzurechnen, zu der “Andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird”. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob dem Kläger selbst ein Strafvorwurf gemacht werden kann. Die Kontroll- und Überwachungsfunktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten beschränkt.
2. Klageantrag zu 13:
Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Be-rufungsgerichts, die Beklagte zu 1 sei verpflichtet, es zu unterlassen, den Inhalt der vier im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten E-Mails in di-rekter oder indirekter Rede zu verbreiten.
a) Durch die Veröffentlichung der vier E-Mails in direkter oder indirekter Rede werden der soziale Geltungsanspruch des Klägers und sein Interesse daran beeinträchtigt, den Inhalt seiner privaten Kommunikation mit Frau G. nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Durch die Veröffentlichung der E-Mail des Klägers vom 28. Oktober 1997, wonach er als Vater nicht zur Verfü-gung stehe, ist darüber hinaus sein Interesse betroffen, dass die Kommunikati-onsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Aus-drucksweise nach außen dringt (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 1. a) bb)).
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b) Die darin liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Art und Weise der Informa-tionserlangung nicht rechtswidrig. An der Wiedergabe der vier E-Mails, insbe-sondere der des Klägers vom 28. Oktober 1997, in direkter oder indirekter Rede besteht ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, hinter dem das Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten hat. Auch wörtliche Zitate, die – wie im Streitfall – geeignet sind, zu einer Bewertung des Zitierten beizutragen, fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 21). Dem wörtlichen Zitat kommt wegen seiner Belegfunktion ein besonde-rer Dokumentationswert im Rahmen einer Berichterstattung zu. Es dient als Tatsachenbehauptung dem Beleg und der Verstärkung des Aussagegehalts (vgl. BVerfG, AfP 2001, 295, 298) und hat deshalb eine besondere Überzeu-gungskraft (vgl. BVerfGE 54, 208, 217 f.). Aus diesem Grund kommt ihm eine erhebliche Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu.
Dies gilt vorliegend in besonderem Maße. Der Kläger stand aufgrund der von ihm im maßgeblichen Zeitraum ausgeübten öffentlichen Ämter in sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Aussage in seiner E-Mail vom 28. Oktober 1997 “Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung” dokumentiert mit besonderer Klarheit, wie er mit der Verantwortung gegenüber seiner nichteheli-chen Tochter und der Mutter seines Kindes – und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste – umgegangen ist. Durch die Wiedergabe dieser E-Mail in direkter oder indirekter Rede wird die zulässige Berichterstattung über das Verhalten des Klägers un-terstrichen, ohne dass seine Persönlichkeit durch die Bekanntgabe seiner per-sönlichen Ausdrucksweise in unzulässiger Weise “preisgegeben” würde.
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Die wörtlichen Zitate aus den drei E-Mails der Kindesmutter sind eben-falls vom überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Das Zitat der E-Mail vom 29. November 2002 beweist, dass der Kläger von der In-anspruchnahme der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durch die Kindesmutter und dem Umstand wusste, dass diese ihr Verhalten für strafrecht-lich relevant hielt. Die E-Mails vom 21. April 2004 und 25. Juni 2008 dokumen-tieren eindrucksvoll, mit welcher Intensität und Nachhaltigkeit der Kläger an sei-ner Haltung festgehalten hat.
3. Rechtsanwaltskosten
Da die Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 unbegründet sind, stehen dem Kläger auch keine Ansprüche auf Freistellung von Gebühren-forderungen seiner Rechtsanwälte zu.
II. Revision der Beklagten zu 3
1. Klageantrag zu 12
Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Beru-fungsgerichts, die Beklagte zu 3 sei verpflichtet, es zu unterlassen, die im Tat-bestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten Zitate aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails wörtlich oder sinngemäß zu verbrei-ten. Die in der publizistischen Verwertung der E-Mails liegende Beeinträchti-gung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist nicht rechtswidrig, da das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Zif-fer I. 1. und 2. verwiesen. Das Interesse des Klägers, dass die Kommunikati-onsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und
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über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt, ist nur durch Wiedergabe seines wörtlichen Zitats vom 2. Dezember 2003 betroffen, wonach er auch ein paar Euro vorbeibringen wer-de. Im Übrigen handelt es sich um wörtliche Zitate der Kindesmutter. Sämtliche Zitate dienen als eindrucksvoller Beleg für die nachhaltige Weigerung des Klä-gers, die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind zu über-nehmen und die Kosten stattdessen der Allgemeinheit aufzubürden.
2. Rechtsanwaltskosten
Da der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 unbegründet ist, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Freistellung von Gebührenforderun-gen seiner Rechtsanwälte zu.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1, § 565 Satz 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Galke Wellner Diederichsen
von Pentz Offenloch
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 28.06.2011 – 27 O 719/10 –
KG Berlin, Entscheidung vom 05.11.2012 – 10 U 118/11 –

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